In Deutschland ist es üblich, Übersetzungsarbeiten nach so genannten Normzeilen abzurechnen. Unter einer Normzeile versteht man 55 Anschläge inklusive Leerzeichen. Als Grundlage der Preiskalkulation kann entweder die Anzahl der Anschläge im Ausgangs- oder aber im Zieltext herangezogen werden. Bei Texten, die nicht in elektronischer Form vorliegen, wird zum Zwecke der Honorarberechnung meist der Zieltext, also die fertigte Übersetzung, zugrunde gelegt.
Die einzige offizielle Gebührenordnung für Übersetzer und Dolmetscher in Deutschland ist das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG-Gesetz). Darin heißt es konkret:
Das Honorar für eine Übersetzung beträgt 1,55 Euro für jeweils angefangene 55 Anschläge des schriftlichen Textes (Grundhonorar). Bei nicht elektronisch zur Verfügung gestellten editierbaren Texten erhöht sich das Honorar auf 1,75 Euro für jeweils angefangene 55 Anschläge (erhöhtes Honorar). Ist die Übersetzung wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls, insbesondere wegen der häufigen Verwendung von Fachausdrücken, der schweren Lesbarkeit des Textes, einer besonderen Eilbedürftigkeit oder weil es sich um eine in Deutschland selten vorkommende Fremdsprache handelt, besonders erschwert, beträgt das Grundhonorar 1,85 Euro und das erhöhte Honorar 2,05 Euro. Maßgebend für die Anzahl der Anschläge ist der Text in der Zielsprache.
Im angelsächsischen Raum ist es hingegen üblich, nach Wörtern abzurechnen. Hierzulande wird auf diese Abrechnungsart in der Regel verzichtet, weil im Deutschen lange Komposita keine Seltenheit sind. Es wäre unfair „Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitän“ als ein Wort zu berechnen, wenn es aus sechs Bedeutungseinheiten besteht, die in eine Fremdsprache zu übertragen sind.
In Polen hat es sich eingebürgert, Übersetzungsdienstleistungen nach Normseiten abzurechen. Eine Normseite besteht in der Regel aus 1125 Anschlägen; so wird es auch im polnischen Gesetz über die Vergütung von beeidigten Übersetzern festgelegt. Allerdings kommt diese Zahl durch Addition von 25 Zeilen je 45 Anschläge zustande, was von den deutschen Gepflogenheiten nicht weit entfernt ist.
Neben Zeilen-, Wort- und Seitenpreisen werden Sie in der Übersetzungsbranche Preisstaffelungen begegnen, die sich aus der Anzahl der so genannten Matches ergeben. Matches sind nichts anderes als Wortwiederholungen und bereits in der Vergangenheit übersetzte Textsegmente, auf die mittels einer Terminologiedatenbank zurückgegriffen werden kann. In der Regel ist es sinnvoll, mit einem Übersetzer über einen längeren Zeitraum zusammen zu arbeiten. Wenn Ihre Texte immer wieder dieselben Ausdrücke enthalten, kann dieser mit einem Translation-Memory-Tool arbeiten und beim Übersetzen eines neuen Textes auf frühere Übersetzungseinheiten zurückgreifen. Das spart nicht nur Zeit und Geld, sondern sorgt auch für die Einhaltung der begrifflichen Konsistenz.
Abhängig von ihrer Genauigkeit werden Matches in Prozentsätzen wiedergegeben. Es heißt dann zum Beispiel, dass Sätze ohne Matches mit 20 Cent, zur Hälfte schon vorhandene Übersetzungen mit 10 Cent und sich wiederholende Wörter mit 3 Cent berechnet werden. Diese Art der Preiskalkulation ist besonders fair, weil damit der tatsächliche Arbeitsaufwand eines Übersetzers vergütet wird.